MUSIKERBEFRAGUNG

In Ermangelung von Interviewpartnern im direkten Umfeld der Band befragte ich 22 Musiker bekannter und weniger bekannter Bands nach einigen typischen, allgemeinen Problemen, die in nahezu jeder Band gleich sind, um an unklaren Stellen der Biografie gewisse Theorien untermauern zu können.
Da einige der Befragten anonym bleiben wollten, habe ich die Befragung vollkommen anonymisiert.






1. Was stellt das größte Konfliktpotenzial innerhalb eurer Band dar? Eher persönliche oder eher musikalische Dinge?

Die Antworten waren hier nahezu ausgewogen, mit einer leichten Tendenz zu den musikalischen Dingen. Rund 40% nannten persönliche Dinge als das größte Konfliktpotenzial, rund 60% musikalische Dinge.
Einige Aussagen:

- "Das größte Konfliktpotenzial in einer Band sind selten persönliche Dinge, da man sich in der Regel schon ein wenig kennt, sonst würde man ja auch kaum eine Band miteinander gründen. Das Problem sind meist musikalische Differenzen, die einen möchten sich lieber in diese Richtung entwickeln, die anderen in jene. Damit umgehen kann man nur mit Kompromissen: Man lässt etwas von jenem einfließen lassen und etwas von diesem. Wenn jemand damit immer noch ein Problem haben sollte, kann eine Band sogar daran scheitern."

- "Der ausschlaggebende Punkt bei uns war, dass eines der Mitglieder musikalisch sehr unzufrieden war. Unsere unterschiedlichen musikalischen Backgrounds spielten also zunächst eine größere Rolle als persönliche Differenzen. Darüber ging dann aber letztlich auch unsere jahrelange Freundschaft zu Ende. Über die finanzielle Abwicklung konnten wir uns nicht einigen, da liegen wir heute noch vor Gericht im Clinch."

- "Bei uns zerbrach die Band hauptsächlich infolge persönlicher Differenzen. Das artete in einen fast schon täglichen Kleinkrieg aus, der eine Weiterarbeit unmöglich machte."

- "Bei uns zerbrach die Band daran, dass unser Songwriter plötzlich erklärte, er wolle nie wieder touren. Und wir sagten uns: Wenn wir nicht touren, sind wir auch keine richtige Band mehr. Er hat uns zwar vorgeschlagen, einen anderen Musiker zu verpflichten, aber er war einfach zu wichtig für die Band. Er schrieb etwa 70% der Songs, er gründete die Band, er produzierte die Alben."

- "Es ist wichtig, dass man menschlich gut miteinander auskommt, besonders, wenn man die ganze Zeit zusammen auf Tour ist. Aber noch wichtiger ist, dass jeder in der Band mit der Musik glücklich ist. Sobald einer mit der musikalischen Ausrichtung unzufrieden ist, wird die Band in ernsthafte Schwierigkeiten geraten."


trennlinie


2. Habt ihr einen "Bandleader", der im Großen und Ganzen den Ton angibt, die Songs schreibt und die musikalische Richtung vorgibt oder versucht ihr, alles auf einer demokratischen Basis gemeinsam zu bestimmen und zu erarbeiten? (Welche Vor- und Nachteile siehst du in diesen beiden Modellen?)

Hier ist die Demokratie in der Mehrheit (55%). 28% bevorzugen einen Bandleader, 17% meinen, dass beides seine Vor- und Nachteile hat.
Einzelne Aussagen:

- "Bei uns läuft alles auf einer demokratischen Basis ab. Das ist sehr wichtig für eine Band, vor allem wenn sie klein sein sollte. Sagen wir, man hat nun eine Big-Band von ca. 10 - n Leuten (n steht für eine beliebig große natürliche Zahl), da ist es äußerst wichtig, einen Bandleader zu haben! Das ist normal bei uns Menschen, wir brauchen jemanden, der uns führt, und das ist in einer großen Band genauso. Eigentlich lassen sich so die Vor- und Nachteile aus meiner Sicht erahnen, aber ich fasse sie noch mal kurz zusammen: In einer kleinen Band ist es nötig, ein demokratisches System zu nutzen, da man sonst Gefahr läuft, Konkurrenzen aufzubauen. Nachteile sehe ich darin nicht. In einer großen Band ist es äußerst wichtig, einen Bandleader zu haben, da es sonst ein bunter Haufen wuselnder Ameisen ist. Ein Nachteil wäre, dass hierbei Konkurrenzverhalten auftreten könnte."

- "Bei vier Leuten in einer Band bietet es sich an, alles demokratisch zu regeln. Also muss auch darüber abgestimmt werden, was man gemeinsam machen will. Und letztendlich ist das dabei herausgekommen, was uns allen am meisten Spaß macht."

- "Wir sind nur vier Leute in der Band, aber der Songwriter ist der unumstrittene Boss. Musikalisch und organisatorisch. Eine Demokratie ist zwar ganz schön, führt aber oft zu nichts. Es ist besser, wenn einer bestimmt, wo es langgeht und die anderen höchstens ein Vetorecht haben."


trennlinie


3. Wenn ihr auf Tour seid (und wenn ihr nur am Wochenende mit einem VW-Bus durch die Lande fahren solltet), was sind hier die größten Konfliktpotenziale innerhalb der Band?

Nahezu übereinstimmend wurde hier die Routine genannt (91%), nur 8% sprachen die "Partyfalle" an.
Einzelne Aussagen:

- "Ein großes Konfliktpotenzial ist natürlich das dauernde Aufeinanderhocken. Ansonsten könnten andere persönliche Differenzen auftreten. Ein Schlichtgespräch ist immer die beste Lösung, doch kann es natürlich auch mal passieren, dass es zu einer größeren Eskalation kommt ..."

- "Man wird bei der täglichen Routine schnell lethargisch, sitzt nur herum, hört ein wenig Musik, spielt am Computer. Dann schnell noch auf die Bühne - und am nächsten Tag lange schlafen. Das kann zu Problemen führen. Auf der letzten Tour haben wir versucht, jeden Tag was anderes zu machen: die Stadt ansehen, Golfen gehen, Fußball spielen ... Man muss sich an die Situation anpassen - oder die Band verlassen. Entweder man geht den gesamten Weg oder gar keinen."

- "Das ewige Reisen, auf der Bühne stehen und danach feiern, feiern, feiern, dann wieder Reisen, auf der Bühne stehen und feiern, kann dazu führen, dass man sich in diesem ganzen Ding komplett verliert und zu einem egoistischen A*** wird, mit dem niemand mehr was zu tun haben will."


trennlinie


Wenn ihr auf Tour seid, was sind hier die größten Verlockungen, denen ihr begegnet? (Alkohol, Drogen, Mädchen) Lasst ihr euch auf diese Ausschweifungen ein? Denkt ihr, dass sie euch schaden oder dass sie nun mal dazugehören und genießt sie einfach?

Ein eindeutiges Ja (88%) - wenn auch mit kritischen Anmerkungen. Nur wenige (12%) behaupten, sich von den Verlockungen immer schon ferngehalten zu haben.
Einzelne Aussagen:

- "Dazu kann ich nur sagen: Man lebt nur einmal. Nutze den Moment, wie er kommt."

- "Ja, man nimmt es mit, aber es macht einen auch kaputt. Wir kamen gerade von einer Tour zurück, waren verdammt erfolgreich, und ich saß plötzlich wieder in meinem Apartment und hatte das elendige Gefühl, dass nichts, aber auch wirklich nichts mehr okay zu laufen schien in meinem Leben. Da wurde mir bewusst, dass es keinen anderen Weg mehr gab, als mit Drogen und Alkohol aufzuhören."

- "Klar nimmt man alles mit. Mit der Zeit lernt man, dass Alkohol und Drogen keine gute Idee sind, aber Mädchen ... wenn man nicht gerade verheiratet ist, bringen Mädchen eine Menge Spaß ..."

- "Ich neige dazu, sehr ausschweifend zu leben, alles mitzunehmen und es auch zu übertreiben. Das hat mich schon sehr oft in Schwierigkeiten gebracht. Du bist jung, du bist erfolgreich - und du kannst einfach alles haben. Und du willst es haben."

- "Solange man nicht von seiner Musik leben kann, sollte man sich von diesen Dingen fernhalten. Sie kosten einfach viel zu viel Geld. Das sollte man lieber sinnvoll investieren."

- "Es ist leicht, einen ausschweifenden Lebensstil zu führen. Ich trank schon auf der Bühne einen halben Kasten Bier, um danach die ganze Nacht zu feiern, mir so viel Pulver wie möglich durch die Nase zu blasen und am nächsten Abend wieder ganz von vorne anzufangen. So ein Leben hat eine kurze Halbwertszeit: Entweder du landest im Knast, du stirbst - oder du kriegst den Sch*** in den Griff!"

- "Die Sache war doch einfach die: Ich kam zur Probe - erst mal 'n Bier trinken... Wir setzten uns in den Tourbus: Zisch! Wir sind vor der Halle angekommen: Zisch! Soundcheck ... After Show Party ... Und ehe du dich versiehst, bist du in einem Kreislauf gefangen, der für dich zwar die Normalität darstellt, der aber durchaus in der Alkoholabhängigkeit enden kann."

- "In den 80ern und 90ern war es viel einfacher, Groupies ins Bett zu bekommen. Heute ist das viel schwieriger geworden. Das liegt nicht so sehr an den Mädchen, aber alles ist irgendwie distanzierter. Man wird auch mehr beobachtet. Wenn du ein Groupie mit ins Hotel nimmst, steht das am nächsten Tag garantiert in irgendeinem Sch***-Forum."


trennlinie


5. Kam es schon mal vor, dass ein Mitglied eure Band verlassen hat? Warum? Und wie wirkte sich das auf die Band aus? / Hast du schon einmal eine Band verlassen? Aus welchem Grund und wie hast du dich danach persönlich weiterentwickelt? Würdest du rückblickend sagen, dass es positiv oder negativ für dich war?

Das Wechseln von Bands ist im Musikbusiness Alltag. Für die Musiker ist das meistens weniger tragisch, zumindest wollte niemand negative Auswirkungen zugeben (wenngleich das bei einigen definitiv nicht stimmt. Je größer und erfolgreicher die Band, umso schwieriger das spätere musikalische Leben). Es sind eher die Fans, die den Weggang eines beliebten Bandmitglieds "betrauern". Da Alan unter DM-Fans immer noch so ein großes Thema ist, interessierte mich die allgemeine Sichtweise von Musikern darauf.
Fast alle der Befragten (92%) haben schon mal eine Band verlassen oder den Weggang eines Bandmitglieds erlebt. - Einzelne Aussagen:

- "Während meines ganzen Lebens mit meiner Band habe ich nur Kompromisse machen müssen; es wurde für mich immer schwieriger und frustrierender, mich selbst musikalisch innerhalb der Band zu verwirklichen. Jetzt, nachdem ich die Band verlassen habe, habe ich endlich die Chance, mein Verständnis von Musik zu artikulieren."

- "Wir wollten unseren Sound etwas frischer und dynamischer gestalten. Das verlangte auch eine gewisse Anpassung unseres Sängers. Doch er wollte die Vocal Lines nicht so singen, wie wir es wollten. 'Wenn ihr nicht möchtet, dass ich so singe, wie ich will, gehe ich eben!' war sinngemäß seine Reaktion."

- "Ich bin mal aus einer Band ausgetreten aufgrund schwerer musikalischer Differenzen und der Arbeitsmoral der Bandmitglieder. Dies wirkte sich auf die Band schlecht aus, sie löste sich sogar auf, was aber wahrscheinlich an der, wie zuvor schon erwähnten, mangelnden Arbeitsmoral der Bandmitglieder liegen könnte. Eine robuste Band hätte solch einen "Verlust" verkraften können. Rückblickend dazu kann ich sagen, dass es positiv war, da ich nun in einer Band spiele, in der ich mich tatsächlich kreativ verwirklichen kann, was vorher nicht der Fall war."

- "Ich hatte einfach das Gefühl, dass das, was ich noch in die Band einbringen konnte, nicht das Richtige war. Ich glaube, die Band zu verlassen, war in der damaligen Situation das Einzige, was ich tun, der einzig richtige Weg, den ich einschlagen konnte. Ich wollte einfach nicht in eine andere Band einsteigen. Um ehrlich zu sein, mir fällt auch keine Band ein, in die man einsteigen kann, wenn man aus einer so großen Band ausgestiegen ist ... Also arbeite ich jetzt solo."

- "Meiner Meinung nach hat die Band all das gemacht, was in ihr gesteckt hat. Da war nicht mehr drin. Ich sah keine Zukunft mehr für weitere Projekte, seien es Platten oder Livekonzerte."

- "Unser Gitarrist war ein ziemlich sturer Hund, der seine musikalischen Vorstellungen durchsetzen wollte. Ich war oft mit ihm einer Meinung, fand aber, dass er das Ganze ein wenig zu ernst nahm. Allmählich entwickelte sich ein Riss in der Band, wir sprachen einfach nicht genug miteinander. Das Schlimmste, was einer Band passieren kann, ist das Schweigen zwischen den Mitgliedern."

- "Ich hatte neben meiner Hauptband ein Nebenprojekt begonnen, und es hat mich frustriert, dem wachsenden Interesse an dem Nebenprojekt wegen der Hauptband nicht entsprechen und nicht touren zu können. Außerdem sind neun Jahre bei ein und derselben Band eigentlich genug, oder?"






Nach oben