ALAN WILDER
Alan Charles Wilder wurde am 01.06.1959 im Hammersmith Krankenhaus in London geboren. Er ist das dritte Kind von Albert und Kathleen Wilder und etliche Jahre jünger als die beiden Brüder, Stephen, etwa 1952 geboren, und Andrew, ungefähr 1954 geboren. Es gibt hierzu jedoch keine genauen Daten. Vielmehr basieren diese Angaben auf Alans Aussage: "Meine Brüder sind fünf bzw. sieben Jahre älter als ich, und wenn ihnen langweilig war, haben sie mich ein bisschen geärgert. Aber ich denke, ich war zu jung, um mich davon wirklich gestört zu fühlen."[1]
Auch bei ihm wurde der Geburtsort so manches Mal verwechselt, was ihn dazu veranlasste,
etliche "Wer seid ihr eigentlich und woher kommt ihr"-Artikel mit den Worten
"Ich komme nicht aus Basildon in Essex"[2] zu beginnen.
"Ich bin glücklich, sagen zu können, dass meine Kenntnisse über Basildon ziemlich begrenzt
sind, zumal ich dort nur etwa drei Mal war. Alle meine Besuche waren in den frühen
Tagen mit DM und zu einer Zeit, als ich sehr an Fotografie interessiert war und immer
eine Schultertasche mit einer Kameraausrüstung mit mir herumtrug. Meine eindringlichste
Erinnerung an Basildon ist, in einem ekelhaften Pub zu sitzen und gesagt zu bekommen,
ich solle besser nicht die Beine übereinanderschlagen und die Schultertasche verstecken,
weil man mich sonst womöglich für eine Schwuchtel halten und mich verprügeln könnte."[3]
(mit freundlicher Genehmigung von Alan Wilder)
Also kein "Basildon Boy". Vielmehr wuchs Alan in Acton, West London, in einem
normalen und vermutlich etwas konservativen Mittelschichtumfeld auf. "Die Jugend dort
ist nicht so rebellisch wie die in Basildon, woher die anderen stammen. Meine Eltern
waren weder reich noch arm."[4] Sie "wollten, dass ihren Kindern eine musikalische
Ausbildung zuteilwurde. In unserem Haus wurde ständig klassische Musik gespielt, allein
schon, weil meine Brüder dauernd Klavier übten.[5] Einer meiner Brüder ist heute Pianist
und begleitet verschiedene Sänger. Der andere unterrichtet Musik in Norwegen.[6]
Ich selbst musste mit dem Klavierunterricht beginnen und Prüfungen ablegen",[7]
als er etwa sieben oder acht Jahre alt war. "Ich hatte keine Lust, zu üben, aber
meine Eltern ließen mich nicht aufhören. Mein Interesse galt vielmehr immer schon
der modernen Musik. Dies begann schon als Vier-/Fünfjähriger, als ich bei den Nachbarn,
die manchmal als Babysitter agierten, viel Radio hörte, wobei dann Songs von Manfred
Mann usw. gespielt wurden. Meine Mutter erzählt auch gern, ich hätte in der Zeit eine
rote Plastikgitarre gehabt, mit der ich Rockstar spielte."[8]
Dennoch war er ein führendes Mitglied im Schulorchester und in der Brass Band der
Schule. Als zweites Instrument lernte er Flöte. Und obwohl er nicht gerade gern Klavier
übte, war er recht gut. "Ich kam bis Grad 8, und heute bin ich wirklich froh, dass
ich Klavierstunden hatte."[9]
Für das Jungengymnasium, das er besuchte, konnte Alan sich nicht wirklich
begeistern. "Ich hielt mich meistens zurück. Ich war ganz gut, aber für die meisten
Fächer interessierte ich mich nicht. Ich fand nur Musik und Sprachen erträglich.[10]
Ich hatte einfach kein Verlangen, den Lehrern zu zuhören. Vielleicht war das, was sie
zu sagen hatten, nicht interessant genug. Ich konnte Schule nicht ernst nehmen (obwohl
ich heutzutage gern noch mal zurückgehen und wirklich lernen wollen würde) - zu der
Zeit war es nicht das, was ich brauchte. Meine Gedanken schweiften ständig ab."
Sein Teenagerleben beschreibt er recht kurz zusammengefasst mit: "Ich war unhöflich,
ungepflegt, unausstehlich, arrogant und errötete, wenn ich mit Mädchen zu tun hatte."
Auch blieb er nicht mit ehemaligen Schulkameraden in Kontakt und musste lernen,
Freunde von Freunden zu unterscheiden. "Es ist eine typische englische Angewohnheit,
anderen ihren Erfolg zu missgönnen, und ich stellte fest, dass die meisten meiner
'Freunde' nichts davon wissen wollten, als sich die Dinge für mich gut zu entwickeln
begannen. Echte Freunde sind natürlich nicht so."[11]
Er bekam nur drei O-Levels (das entspricht in Deutschland in etwa einem Haupt/Realschulabschluss) "weil ich zu faul war,[12] verließ die Schule mit 16 und war arbeitslos.[13] Es gab keinen Berufswunsch, eher eine Menge Dinge, die ich nicht machen wollte. Ich ging dann noch mal zur Schule zurück und versuchte, für das Abitur zu lernen, aber das funktionierte nicht so richtig.[14] Meine Eltern drängten mich dazu, mich bei Tonstudios zu bewerben - das Einzige, an dem ich Interesse zeigte. Nach 40 Absagen bekam ich einen Job als Studioassistent bei den DJM Studios. Ich war das überarbeitete, unterbezahlte 'Mädchen für alles'. Das einzig Gute an DJM war, dass die Bands nach Ende der Studioarbeit oft ihre Instrumente zurückließen, sodass ich ein wenig Keyboard oder Schlagzeug spielen konnte.[15] Der Wunsch, Musiker zu sein, wurde immer stärker. Von dem Tag an, an dem ich bei den DJM Studios anfing, war ich sehr einseitig, was meine Berufswahl anbelangte. Und so arrogant es auch klingen mag, ich war immer der festen Überzeugung, dass ich es schaffen würde, eine Musikerkarriere zu machen. Ich musste mein Lehrgeld bezahlen, indem ich anderen Leuten Tee servierte (ohne Bezahlung), in einem Kellerloch in Hammersmith hauste (sehr zum Missfallen meiner Mutter, was mir aber egal war), und mich einige Jahre mit diversen unbekannten Bands durchschlug. Aber es machte mir auch Spaß und ließ mich den späteren Erfolg mehr wertschätzen."[16]
Die erste Band, der sich Alan anschloss, war The Dragons. Er zog nach Bristol, um
mit ihnen zu arbeiten. Der erste Song, den er mit ihnen aufnahm, war Misbehavin
(im Stile von 1970er Jahre Softrock), der etwa 1977 als Single bei DJM Records
erschien.
"Nach zwei Jahren in Bristol wurde es mir dort zu langweilig, sodass ich froh war,
als mich ein Freund dazu überredete, zurück nach Hause zu kommen und bei einer Band
namens Daphne and the Tenderspots einzusteigen."[17] [In einigen Quellen wird der Name auch
Dafne geschrieben.] "Sie spielten fünf Abende in der Woche im Obelix, einem
Spezialitätenrestaurant, eine Mischung aus Jazz, R & B (im traditionellen Sinne) und
Blues etc. Ich wurde für ein bisschen Taschengeld und einen
Gratis-Käse-Schinken-Tomaten-Pfannkuchen ans Keyboard gestellt. Wir fingen an, eigene
Songs zu schreiben und sprangen auf die New Wave-Welle auf. Nach vielen Wochen der
Probe in Grahams und Dafs Hausboot in Datchet schafften wir es, einen Vertrag mit
den MAM Records an Land zu ziehen.[18] Wir trugen schreckliche Klamotten und noch
schlimmere Krawatten. Wir waren schlecht, aber wir hatten einen Plattenvertrag
und brachten die Single Disco Hell heraus."[19]
Andeutungen zufolge waren seine Eltern nicht allzu begeistert ob seines Lebenswandels
und versagten ihm jegliche finanzielle Unterstützung (vielleicht war er aber auch
nur zu stolz, um welche anzunehmen), was anscheinend zu einem längeren Bruch der
Beziehungen führte. Zumindest würde Alan viele Jahre später sagen, dass eines der
Dinge, die er bereue, sei, wegen "einer Art Teenage-Angst" längere Zeit keinen oder
kaum Kontakt zu seinen Eltern gehabt zu haben.
Das Leben als Musiker (1977 The Dragons, 1978 Daphne and the Tenderspots,
1979 Real to Real mit weißem Reggae und 1980 The Hitmen mit 1980er Jahre
Rock im Bowie-Stil) hatte definitiv seine Schattenseiten, die sich vor allem in
Geldmangel äußerten. Ehe er Ende 1981 zu DM kam, wurde Alan gar einmal
wegen Ladendiebstahls verhaftet. "Ich stahl ein Huhn und wurde dabei erwischt. Zu
dieser Zeit war ich ein sich abmühender Musiker, mittellos und hungrig ..."[20]
(mit freundlicher Genehmigung von © Paola Gravina Red)
Heute hat Alan eine Tochter, Paris (geboren September 1995),
und einen Sohn, Stanley (geboren Januar 2001), mit Hepzibah
Sessa. Dies war die zweite, mittlerweile geschiedene, Ehe. In erster Ehe
war Alan mit Jeri Young verheiratet. Mit seiner dritten Partnerin, Britt
Rinde Hvål, hat er inzwischen eine weitere Tochter, Clara Lake (geboren
November 2011).
Solo arbeitet Alan als "Recoil" und brachte folgende Werke heraus:
1+2 (1986), Hydrology (1988),
Bloodline (1992), Unsound Methods (1997),
Liquid (2000) und SubHuman (2007).
2010 folgte mit Selected eine Art Best-Of. Weiterhin fertigte er
zwischen 2010 und 2012 einige Remixes an (auch einen für DM), war
der musikalische und produktionstechnische Supervisor für das Tributalbum
The Spirit of Talk Talk, veranstaltete 2011 eine Auktion mit
DM-Stücken aus seinem privaten Besitz, wozu die DVD Collected erschien.
2012 erschien mit A Strange Hour in Budapest noch ein Konzertfilm
zu den Auftritten mit Selected.
Anders als im Falle von Vince hatte ich mich von Anfang an dagegen entschieden, Alan nach seinem Austritt aus der Band aus der Biografie herauszunehmen, sondern dokumentierte auch seinen Weg danach. Zum einen ist seine Geschichte einfach zu sehr mit der der Band verbunden (besonders 2010 war ich froh über diese Entscheidung), zum anderen sind er und seine Webseite eine wichtige Quelle. So nimmt Alan ziemlich viel Raum in dieser Biografie ein, schlicht und einfach, weil es von ihm mehr verlässliche Zitate gibt (die meisten hat er selbst geschrieben), als von jedem anderen Bandmitglied.
Quellenangaben:
[1] recoil.co.uk
[2] Entnommen aus: A Broken Frame Tour Programme, 1982. Autor: Alan Wilder.
[3] recoil.co.uk
[4] Entnommen aus: Depeche Mode Prive (part one: Alan Wilder), Autor, Medium und Datum sind unbekannt.
[5] Entnommen aus: HotNewsTV.ro, 02.04.2010. Interviewer: unbekannt.
[6] recoil.co.uk
[7] Entnommen aus: Alan Wilder: The Band Boy, No. 1, 25.05.1985. Autor: Alan Wilder.
[8] Entnommen aus: HotNewsTV.ro 02.04.2010. Interviewer: unbekannt.
[9] Entnommen aus: Chatting with Alan Wilder, September 1997. Autor: Henrik Wittgren.
[10] Entnommen aus: Depeche Mode Prive (part one: Alan Wilder), Autor, Medium und Datum sind unbekannt.
[11] recoil.co.uk
[12] Entnommen aus: Chatting with Alan Wilder, September 1997. Autor: Henrik Wittgren.
[13] Entnommen aus: Alan Wilder: The Band Boy, No. 1, 25.05.1985. Autor: Alan Wilder.
[14] recoil.co.uk
[15] Entnommen aus: Alan Wilder: The Band Boy, No. 1, 25.05.1985. Autor: Alan Wilder.
[16] recoil.co.uk
[17] Entnommen aus: Alan Wilder: The Band Boy, No. 1, 25.05.1985. Autor: Alan Wilder.
[18] Entnommen aus: The Palace and the Punks, Northern Lights Ltd., 2011, Autor: Tony Hill.
[19] Entnommen aus: Alan Wilder: The Band Boy, No. 1, 25.05.1985. Autor: Alan Wilder.
[20] depechemodebiographie.de