1982
Mitte Januar (leider scheint sich keiner an das genaue Datum erinnern zu können)
hatte Alan seinen ersten Auftritt mit DM, und zwar im Crocs in Rayleigh.
In einem Artikel heißt es, die Band hätte über Alan gesagt, dass "er ein guter Musiker
ist, aber sie sind sich noch nicht sicher, ob es das ist, was sie brauchen. Er spielte
seinen ersten Gig im Crocs und war ziemlich erschreckt von dem Chaos rund um Depeche Mode,
als Teenager in der ersten Reihe platt gedrückt wurden und gerettet werden mussten,
um Verletzungen zu vermeiden."[1]
Man bedenke, dass dies gerade mal ein Jahr nach ihrem ersten wirklichen Erscheinen
passierte. Sie waren wirklich so etwas wie eine hippe Boyband, die besonders von jungen
Mädchen geliebt wurde.
(Falls du eines dieser Mädchen warst,
schreibe bitte eine Mail an dmbiographie@hotmail.de
und erzähle mir über dieses Ereignis und was dich zu dieser Zeit an der Band
faszinierte.)
Fletch: "Das Publikum ist immer weniger trendy, stattdessen kommen immer mehr
Schulkinder, so 14 und 15 Jahre alt. Die Leute, die vorher zu uns kamen, kommen nun
nicht mehr so oft." Er war wegen dieses Trends etwas besorgt. "Wenn man in den
Teenager-Markt gerät, hat man das Problem, dass die Teenager in ein paar Jahren
erwachsen sein werden und einen dann vergessen."[2]
Manchmal mussten sie Konzerte in die frühen Abendstunden legen, weil die meisten
dieser Mädchen zu jung waren, um die Konzerte am späteren Abend zu besuchen.
Dave: "Nun, wir machen das hauptsächlich, weil wir auf der letzten Tour viele
Jugendliche gesehen haben, die nicht zum Konzert kommen konnten, weil die Clubs, in
denen wir gespielt haben, niemanden unter 18 rein lassen. Wir denken aber, dass
die Leute, die unsere Platten kaufen, eine Chance haben sollten, uns auch im
Konzert zu sehen."[3]
Am 22.01. und 23.01. trat die Band im Club Ritz in New York auf. Es war das erste
Mal, dass sie in den USA auftraten, und es war nicht gerade eine ihrer besten
Erfahrungen.
Fletch: "Alan kam nach New York, und es war sehr lustig. Er hatte nur eine
dünne Jacke an und einen Wollschal, und ich glaube, in New York waren es -40°."[4]
Dave trat mit einem Arm in der Schlinge auf. Er hatte sich ein Tattoo entfernen
lassen und die Narben schwollen an. Der Rest der Mini-Tour war auch nicht viel besser.
Fletch: "Wir waren zuvor bei Top of the Pops aufgetreten - keine Ahnung,
warum wir dem zugestimmt hatten. Aber Mute hatte beschlossen, uns mit der Concorde
rüberfliegen zu lassen. Es war das schlimmste Konzert unseres Lebens. Unser Equipment
funktionierte nicht, und wir kamen nicht vor halb 3 morgens auf die Bühne."[5]
Dies waren nicht die einzigen Schwierigkeiten, die sie hatten, als sie versuchten,
Erfolge in den USA zu landen. Es würde lange dauern, ehe sie dort den Durchbruch
schaffen würden.
(Leave in silence - mit freundlicher Genehmigung von © Gergely Dervarics (Greg76))
Während Alan von der Presse zunächst nur am Rande erwähnt wurde, hatte Vince
die volle Aufmerksamkeit - obwohl er gar nicht mehr da war.
Martin: "Er präsentiert dir Rätsel, Dinge, die man nicht erklären kann."
Fletch: "Den Eindruck, den er gern vermittelt, ist, dass ihn niemand kennt."
Dave: "Wir dachten, wir kennen ihn, aber wir fanden heraus, dass wir ihn nicht
kennen."
Fletch: "Vince wollte immer viel im Studio machen, und der Rest von uns fühlte
sich eingeengt. Wenn wir eine Idee hatten, hatten wir Angst, etwas zu sagen."
Dave: "Nein, nicht Angst. Wir fühlten uns unwohl."[6]
Nun übernahm Martin die Rolle des Songwriters, und sie versuchten, Songs zu produzieren,
die mehr Substanz hatten und schwierigere Akkordwechsel beinhalteten.
Fletch: "Martin schreibt Musik um seine Texte, wohingegen Vince erst die
Melodie schrieb und dann den Text. Worte waren nie Vinces Stärke. Ehrlich gesagt,
waren wir manchmal ziemlich, äh, beschämt ob seines Stoffs. Wir haben viele seiner
Songs nicht verstanden. Er hat uns nie gesagt, von was sie handeln!"
Dave: "Ich erinnere mich, dass ich eines Abends durch Basildon ging und diese
beiden Mädchen sah, die mir folgten. Ich wusste, sie hatten mich erkannt. Und sie
begannen, zu singen, weißt du." (quietscht) "I stand still stepping on a shady street.
Und ich ging ein bisschen schneller", (lacht), "schlug meinen Mantelkragen hoch, so! Und
dann ...", (jammert) "And I watch that man to a stranger. Und ich dachte:
'Oh nein, das ist peinlich! Verstehen sie diesen Text?! Vielleicht tun sie es und
wir nicht!'"[7]
Aber die Presse würde es Martin nicht leicht machen: "Wir haben Probleme mit
der Rockpresse: Sie mögen uns nicht, es ist ihnen zu nett, zu niedlich. Es war für
ihren Geschmack nicht aggressiv genug, und es ist wahr: Depeche Mode ist keine
aggressive Band. Ich wette, würde man über den Köpfen unserer Interviewer ein
Bierglass schwingen, würden sie zweimal über uns schreiben."[8]
Heute kennen wir Martin als genialen Songwriter, aber in diesen frühen Tagen musste
er erst einmal die "Nagelprobe" bestehen, besonders als am 29.01.
See You / Now, This is Fun erschien. Mehr oder weniger erwarteten die Presse
und die Fans so etwas wie Speak & Spell. Die meisten anderen Bands wären wohl
daran zerbrochen, nachdem sie ihren Hauptsongwriter verloren hätten. Es war auch
schwierig für DM, aber sie hatten Glück, dass die Leute nicht das Interesse an
ihnen verloren. Ich denke, es hatte auch etwas mit dem Zeitgeist zu tun. In den
frühen 1980ern hatten die Europäer viel Sinn für minimalistische, elektronische
Musik und waren offen für musikalische Experimente.
Es gab zwei Versionen von See You, die Single-Version und eine Extended-Version
mit einem längeren Intro. Daraus wurde später die Album-Version. Die B-Seite,
Now, This is Fun, wurde ebenfalls in zwei verschiedenen Versionen veröffentlicht.
Die Extended-Version hat eine längere Brücke in der Mitte und ein längeres Ende.
Das Video zu See You, das von Julian Temple gefilmt wurde, zeigt zu Anfang
den Hounslow Bahnhof in London.
Fletch: "Nach New Life dachten viele Leute, DM wären süß und niedlich
und so, und wir wollten ihnen zeigten, dass wir auch anders sein können. Auf der
neuen B-Seite Now, This is Fun versuchten wir ...", er hält inne, während alle
zu lachen beginnen, "... wir versuchten ... wirklich ... cool zu klingen! Aber es
hat nicht funktioniert ..."[9]
Auch das Verständnis für die neuen Texte funktionierte nicht wirklich. So wurde
Martin gefragt, was es mit der Zeile Well, I know that five years is a
long time and that times change but I think you'll find people are basically
the same [Nun, ich weiß, dass fünf Jahre eine lange Zeit sind, und dass die Zeit
einiges verändert, aber ich denke, dass Menschen im Prinzip immer gleich bleiben]
aus See You auf sich habe: "Es ist gut, ernst, aber lustig. Ich mag es, weil
es Worte sind, die nur selten in Songs benutzt werden. Es ist so, wie die Leute
reden. Ich kann die Geschichte dahinter nicht erzählen. Es ist privat. Ich schrieb
es, als ich 18 war."[10] (Die Altersangabe variiert von Quelle zu Quelle, mal wird
gesagt, er schrieb es, als er 15 war, mal, als er 17 war usw.)
"Seitdem ich angefangen habe, ernsthaft zu schreiben, hat sich meine Art des Schreibens
verändert. Manchmal schreibe ich zuerst die Worte, manchmal die Musik, manchmal
beides zusammen. Ich muss mich dafür zurückziehen. Einige Ideen können ganz schön
peinlich sein, und daher ist man besser allein, wenn man sie ausprobiert![11]
See You ist ganz anders als die Singles davor, daher dachten wir, dass sie
einige unserer alten Fans nicht kaufen würden. Sie ist voller Anlehnungen an Bands
wie The Ronettes und die Beach Boys. Ich weiß, dass die im Moment nicht gerade in
sind, aber jeder kennt ihre alten Songs, und wir haben zum Beispiel
And Then I Kissed Her als Coverversion gespielt."
Dave: "Vor zwei Jahren wäre See You wohl kein Hit geworden, aber die
Radiostationen werden mutiger. Ich denke, Punk hat das möglich gemacht. Nach Punk
konnte man alles machen."[12]
Einige ihrer frühen TV-Auftritte, um die neuen Songs vorzustellen, waren ziemlich
abenteuerlich.
Dave (über einen Auftritt bei einer französischen Fernsehsendung): "Wir kamen
pünktlich um 12 Uhr an, aber es waren keine Kameras und keine Crew da. Wir gingen
erst mal was essen und kamen um 15 Uhr wieder. Sie sagten uns, dass sie sechs
Songs von uns aufnehmen wollen. Es dauerte drei Stunden, bis sie mit dem ersten
zufrieden waren. Der zweite nahm ähnlich viel Zeit in Anspruch, und beim dritten
Song dauerte es etwa eine Stunde. Als wir beim fünften Song ankamen, war es halb
12, und da die Studiolichter um Mitternacht abgedreht wurden, musste es nun richtig
schnell gehen. Der Kameramann sprang wie wild umher, um die Aufnahmen in den Kasten
zu bekommen. Für den sechsten Song blieb keine Zeit mehr, weil die Lichter
abgedreht wurden."[13]
Und Alan über seinen ersten Auftritt bei TOTP, bei dem See You gespielt
wurde: "Es dauerte den ganzen Tag. Die meiste Zeit verbrachten wir in unserer Garderobe,
während die BBC-Leute dauernd Tee-, Mittags- und Rückentrainingspausen machten. Das
Publikum bestand aus etwa 15 Leuten, die wie Vieh von Bühne zu Bühne gescheucht
wurden. Wir hatten das zweifelhafte Vergnügen, mit dem One-Hit-Wonder Adrian Gurwitz
in einer Show zu sein. Der Text seines unvergesslichen Songs war gonna write a
classic, gonna write it in an attic ..."
Nicht weiter verwunderlich ist es, dass er das Video zu See You nicht
sonderlich mochte (und auch keins der anderen, die 1982 gedreht wurden): "Man
kann alle Julian Temple-Videos (See You, Meaning of Love, Leave in Silence)
als ein einziges Desaster ansehen. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass das
Medium Video zu dieser Zeit neu und experimentell war. Wir waren also nicht die
Einzigen, die unter pickeligen Regisseuren litten, die gerade die Filmhochschule
verlassen hatten."[14]
Am 12.02. begann in Cardiff die See You-Tour - mit Alan als Bühnenmusiker.
Der europäische Teil umfasste 27 Konzerte und endete am 12.04. in St. Peter Port.
DM traten u.a. in Madrid, Stockholm, Hamburg, Hannover, Berlin - und in Oberkorn in
Belgien auf. So kam es dann, dass am 26.04. die Single
The Meaning of Love / Oberkorn (It's a Small Town) erschien.
Martin: "Oberkorn war ein kleiner Ort, mit einer Einwohnerzahl, die kaum die
ersten Reihen gefüllt hätte, und so war es eine große Überraschung für uns, zu sehen,
was passierte. Anstatt, dass nur eine Handvoll Leute dort waren, war die Halle gepackt
voll, denn das Publikum kam von überall her, sogar über die Grenze. Als wir in unser
Hotel zurückkamen, sagte unsere Plattenfirma, dass sie ganz schnell den Titel für
die B-Seite bräuchten. Wir waren ja nie gut, was Namen anbelangt, und das Erste,
was mir einfiel, war der Name dieses Ortes. Oberkorn."[15]
Die Single-Version von The Meaning of Love ist die gleiche wie die
Album-Version. Es gibt eine zweite Version, die sich Fairly Odd Mix nennt.
Auch von Oberkorn, einem Instrumentalsong, gibt es zwei Versionen, eine kürzere
und den längeren Development Mix. Die Single erschien nicht in den USA, jedoch
wurde der Fairly Odd Mix auf der B-Seite der 12"-US-Single von See You
veröffentlicht.
Wie schon angedeutet, wurde auch das Video zu The Meaning of Love von
Julian Temple gefilmt, und erneut mochte die Band es nicht. (Es ist auch wirklich
ein peinliches Video, in dem die Bandmitglieder in einer Art Zaubershow agieren. Es
wird nur geschlagen durch das Video zu Leave in Silence, in dem die Bandmitglieder
Gemüse und andere Dinge auf einem Laufband zerschlagen und mit bemalten Gesichtern
auf großen Bällen durch die Gegend hopsen. Und natürlich von der Dekoration in einer
deutschen Fernsehsendung, in der die Band während des Vorführens von See You
dazu genötigt wurde, in einer Art Stall zu agieren und mit lebenden Hennen
herumzuspielen.)
Vom 07.05. bis zum 16.05. schloss sich der amerikanische Teil der
See You-Tour mit insgesamt 8 Konzerten an, wobei DM schon zu dieser Zeit in
Pasadena spielten - allerdings nicht in der Rosebowl.
Auf dieser ersten Tour hatte Alan die Gelegenheit, sich an die frühen Live-Sets
von DM zu gewöhnen. "Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, Television Set
spielen zu dürfen. Auch mit Tomorrow's Dance wurde ich bekannt gemacht,
obwohl ich es selbst nie gespielt habe. Auch gehört habe ich es nie. Daves
Darstellung der embryonischen DM-Auftritte war genug, um mir einen bleibenden
Eindruck zu vermitteln."
Seltsam, aber wahr: Es gab tatsächlich ein paar Songs, die Alan mochte. ;)
"Tora! Tora! Tora! ist mein Lieblingssong von Speak & Spell, The Sun and
the Rainfall von A Broken Frame."
Und natürlich erhielt Alan auch einen Eindruck von seinen neuen Bandkollegen.
"Fletch und Martin haben eine merkwürdige Beziehung. Die Rolle von Fletch scheint
darin zu bestehen, Martins Stimme zu sein, denn der ist unheimlich schüchtern -
es sei denn, er ist betrunken. Wenn er ein Problem hat, kann man ihn nicht direkt
danach fragen, sondern man muss mit Fletch sprechen."
Somit formierten sich schnell zwei Gruppen innerhalb der Band - Martin und Fletch
auf der einen Seite, und Alan und Dave auf der anderen Seite - zumal auch Dave in
der Freundschaft von Fletch und Martin keinen rechten Platz hatte und weil "Dave
eine sehr freundliche und offene Person ist, mit der man leicht auskommt." Alan
schätzte vor allem Daves "sehr scharfen und boshaften Humor." In diesem Zusammenhang
erzählte er, dass er es lustig fände, dass es Frauen gäbe, die glaubten, Dave sei
"so eine Art armes, kuscheliges Häschen" (fluffy bunny-wunny) "das die ganze Zeit
beschützt werden muss. Würden diese Frauen Dave jemals direkt nach einer Show
treffen oder sie kämen ihm mit dieser Attitüde, würde er sie bei lebendigem Leib
mit ein paar gewählten Worten verspeisen."[16]
Angeblich hatte Alan große Probleme damit, sich anzupassen. Besonders in einer
Biografie wird dies betont und mehrfach auf den Arbeiterhintergrund der anderen
drei hingewiesen, während Alan ja aus der Mittelschicht stamme. Natürlich stellt
dies in der englischen Gesellschaft definitiv einen Unterschied dar, ganz besonders
in der Generation, der die vier Herren angehören. Jedoch ist es meiner Ansicht
nach falsch, DIES als grundlegendes Problem anzusehen - das Problem scheint vielmehr
darin bestanden zu haben, dass a) englische Männer dieser Generation grundsätzlich
unfähig sind, über ihre Gefühle zu sprechen, und nur oberflächlich miteinander
kommunizieren, was in dieser Band ganz besonders ausgeprägt gewesen sein dürfte
und b) besonders Martin und Fletch einander schon seit Kindertagen kannten, während Alan
neu hinzu kam.
Definitiv falsch ist es, zu suggerieren, Alan sei nicht anpassungsfähig, wie es in
jener Biografie ja auch erwähnt wurde. Er ist durchaus selbstbewusst und besitzt das
Talent, sich jederzeit und überall den herrschenden Gegebenheiten anzupassen und
den Eindruck zu vermitteln, absolut zum Bild zu gehören und auch im Bilde zu sein.
Man mache sich die Mühe und schaue sich die Promobilder an, die von den Bands
gemacht wurden, in denen Alan vor DM war, und schaue sich dann die Bilder an,
die 1982 von DM gemacht wurden. Der Unterschied ist frappierend. Besonders
auf den Bandfotos mit Real To Real und The Hitmen wirkt Alan ernsthaft, erwachsen,
cool und hat sogar einigermaßen vernünftige Klamotten an. Wenig später guckt er
genauso schüchtern und "niedlich" in die Kamera wie seine neuen Bandkollegen und
zieht die abscheulichsten Sachen an, die die Welt je gesehen hat. ;) Auch gibt es
genügend Videomaterial aus diesen frühen Tagen, auf dem man ihn mit den anderen
herumalbern sieht. Auch ist bekannt, dass er sich köstlich über Daves Parodien
amüsieren konnte.
Vielleicht gab es ein paar Anlaufschwierigkeiten im ersten Jahr - wie es wohl jedem
ergeht, der neu in eine Firma / Schule / Gruppe kommt - und er hatte (wie er selbst
sagt) durchaus einige Schwierigkeiten, sich "in diese sehr enge, in sich geschlossene
Einheit zu integrieren"[17] (womit er wohl hauptsächlich die Freundschaft zwischen
Fletch und Martin meinte), aber zu suggerieren, er sei überhaupt nie in der Band
angekommen (was bis heute einige Leute glauben), halte ich für übertrieben.
An dieser Stelle würde ich gern erklären, dass mein persönliches Hauptinteresse,
diese Biografie zu schreiben, darin bestand, eine Antwort auf die Frage zu finden, warum Alan
die Band 1995 verließ (und warum es nahezu unmöglich zu sein scheint, ihn
heute wieder in die Band zu integrieren - sofern man denn wollte.)
Wahrscheinlich wird jeder Leser umgehend eine Antwort im Kopf haben und sagen: "Hey,
er ging, weil ...", aber du wirst sehen, dass es nicht so einfach ist. Als ich diese
Frage in der Fanbefragung von depechemodebiographie.de stellte, bekam ich 26
verschiedene Antworten! Und in Foren findet man noch weitere Theorien, jede davon
als unumstößliche Wahrheit dargestellt, wie z.B. die obige: "Alan ging, weil er nie
wirklich ein Teil der Band war und sich wie ein Außenseiter fühlte." Nun, wenn er
sich von Anfang an unwillkommen gefühlt hätte, hätte er die Band vermutlich nach
der Broken Frame-Tour wieder verlassen, anstatt Vollmitglied zu werden.
Im Laufe der Zeit bildete sich eine Theorie heraus, die auf den gegebenen Informationen
basiert, wenngleich diese zum Teil widersprüchlich wirken - vermutlich der Grund,
warum nahezu jeder Fan eine andere Theorie dazu hat, warum Alan die Band verließ.
Meine Theorie ist schlicht, dass die Teamarbeit irgendwann nicht mehr funktionierte.
Teamarbeit ist immer etwas Kompliziertes, egal, ob sich das auf eine Firma, ein
Projekt oder eine Band bezieht. Jedes Mitglied eines Teams braucht spezielle Aufgaben,
muss in den gesamten Komplex passen und seine Anteile regelmäßig, exakt und pünktlich
"liefern". Jeder muss sich auf jeden verlassen können.
Diese Aufgaben müssen nicht
zwangsläufig etwas mit dem kreativen Prozess zu tun haben, sondern können sich
auch auf dem organisatorischen Feld abspielen oder einfach dazu beitragen, eine
gewisse Balance in eine Gruppe zu bringen oder für den nötigen Teamgeist zu sorgen.
Solange jedes Mitglied so "funktioniert", wie es soll, funktioniert auch das Team,
egal, ob sich die Mitglieder untereinander nun persönlich mögen oder nicht. Aber
sobald etwas nicht mehr passt, wird das ganze Gebilde unweigerlich in sich
zusammenbrechen.
Ich denke, die Freundschaft zwischen den Bandmitgliedern wird überbewertet. Man muss
nicht gut miteinander befreundet sein, um zusammen in einer Band zu spielen oder an
einem Projekt zu arbeiten. Martin und Fletch waren und sind Freunde, aber sie sind
nicht mit Dave befreundet. Sie sehen sich außerhalb der Band kaum, einfach, weil
sie unterschiedliche Interessen haben. Und auch Dave und Alan sind recht verschieden.
Sie waren Kumpels, aber wahrscheinlich keine Freunde in dem Sinne.
Wenn ein Projekt interessant ist und so erfolgreich ist wie DM, muss man jedenfalls
nicht miteinander befreundet sein, um gemeinsam daran arbeiten zu können. Doch es
ist natürlich "einfacher", die ganze Sache gegen die Wand zu fahren, wenn es persönliche
Differenzen gibt, vor allem dann, wenn noch andere Probleme auftauchen wie
musikalische Differenzen oder unterschiedliche Arbeitsmethoden.
Ich werde auf diesen Punkt später wieder zurückkommen, denn zu diesem Zeitpunkt,
im Sommer 1982, hatte das Team noch nicht begonnen, zusammen zu arbeiten.
(A Broken Frame - mit freundlicher Genehmigung von © Annette Pehrsson)
Obwohl mit Alan ein ausgebildeter Musiker zur Band gestoßen war, beschlossen Martin,
Fletch und Dave, zunächst ein Album allein aufzunehmen, und gingen im Juli
gemeinsam mit Daniel Miller als Produzent und den Toningenieuren John Fryer und
Eric Radcliffe in die Blackwing Studios in London.
Einerseits frustrierte Alan dies ein wenig: "Schließlich war ich mit ihnen
auf Tournee gewesen, und man erwartete von mir, dass ich das fertige Album später
mit ihnen promoten würde", andererseits zeigte er auch Verständnis: "Sie waren sehr
vorsichtig meinetwegen. Sie nahmen es Vince übel, dass er gegangen war, und hatten
das Gefühl, sie müssten ihm beweisen, dass sie problemlos ohne ihn weiter machen
konnten. Es war eine Frage der Ehre, denke ich, und sie wollten auch nicht als
jemand angesehen werden, die sich auf dem 'Transfermarkt' einfach jemand Neuen
suchten. Sie waren sehr selbstkritisch und wenig selbstbewusst. Ich hatte noch nie
eine solche Gruppe getroffen, und ich fragte mich, wie sie in so kurzer Zeit so
weit hatten kommen können. Dann wurde mir klar, welch großen Einfluss Daniel
Miller auf sie hatte. Er und Vince waren es, die sie dorthin gebracht hatten."[18]
Vermutlich lag er damit durchaus richtig. Auch einige Journalisten spekulierten,
ob Daniel Miller die Band nicht auf eine gewisse Art und Weise manipuliere.
Dave: "Daniel ist wie ein Freund. Es ist keine Geschäftsbeziehung. Er kommt
überall mit uns hin. Im Studio ist er nicht am Aufnahmeprozess beteiligt, aber er
ist der Produzent."
Fletch: "Er gibt uns Ratschläge, und wir finden es schwierig, nein zu
sagen. Also manipuliert er uns schon auf eine gewisse Weise."[19]
Dave: "Daniel ist auch eine Art Manager, weil wir keinen haben. Er ist auch
der Chef unserer Plattenfirma, somit kann er nicht alles machen, was ein Manager macht.
Wir haben Meetings, in denen wir über Tourneen, Geld und Dinge wie Merchandising
diskutieren."[20]
Die Entscheidung, ohne Alan ins Studio zu gehen, soll jedoch angeblich allein die
der Band gewesen sein. Es halten sich hartnäckige Gerüchte, dass es deswegen Ärger
zwischen den Bandmitgliedern und Alan gegeben habe, aber Alan sagt: "Ich wäre
zwar gern an der Studioarbeit für dieses Album beteiligt gewesen, aber Daniel Miller
sagte mir (die Band hat nie mit mir darüber gesprochen), dass ich nicht gebraucht
würde."[21]
Am 16.08. erschien vorab die Single Leave in Silence, ehe am
27.09. das Album A Broken Frame folgte.
Leave in Silence war die erste Single, die mit dem Bong-Label erschien und
der erste Song, von dem es mehr als nur einen Remix gab.
(Übrigens: Ich wurde von einem Leser gefragt, was ein "Bong" ist und warum das Label
so genannt wurde. Nun, ein Bong ist eine Wasserpfeife, die man u.a. dazu benutzt,
um Cannabis zu konsumieren. In einem Interview erklärt Fletch mal, dass sie den
Namen wählten, weil sie fanden, dass er lustig klänge. Ich nehme an, dass es eine
ähnliche Geschichte ist wie mit "Oberkorn" - sie brauchten einen Namen und nahmen
den ersten, der ihnen in den Sinn kam.)
Die Single-Version von Leave in Silence ist die A Broken Frame-Version,
bei der das kleine Interludium am Ende weggelassen wurde. Weiterhin gibt es eine
längere Version und eine ruhigere Version, die fast eine A Cappella-Version ist.
Die längere Version wurde auf den amerikanischen und japanischen Ausgaben des Albums
verwendet. Die B-Seite ist Excerpt from: My Secret Garden, eine Instrumentalversion
jenes Songs. Further Excerpts from: My Secret Garden ist eine längere Version
davon, die als Bonus-Track auf den amerikanischen und japanischen Ausgaben des
Albums erschien.
Zu dieser Zeit befanden sie A Broken Frame als reifer, was die Musik und die
Texte anbelangte. Sie verwendeten viel Zeit und Mühe auf jeden einzelnen Song und
versuchten sich in neuen Aufnahmeformen.
Dave: "Das neue Album hat etwas mehr Tiefe. Anstatt noch mehr von diesem
leichten Pop zu produzieren, haben wir beschlossen, im Studio etwas zu experimentieren.
Martin kann auch poppige Nummern schreiben, und auf dem Album sind auch ein paar
poppige Nummern wie The Meaning of Love, und da ist ein Song, der
A Photograph of You heißt, aber wir wollten auch etwas vollkommen anderes
machen, um zu sehen, ob wir es können, und ich denke, es ist gut geworden."
Fletch: "Es gibt eine Menge Percussion auf dem neuen Album, weißt du, wir
haben auf allen möglichen Dingen herumgeschlagen, plus Geh- und Marschiergeräusche und
all solche Sachen, aber nichts, was man ein Instrument nennen könnte."
Dave: "Es gibt ein Saxophon. Aber du würdest es wohl kaum als solches erkennen.
Es wurde rückwärts aufgenommen und klingt wie ein Elefant!"[22]
Später waren sie mit dem Album nicht mehr so glücklich. (Das Gleiche gilt für
Speak & Spell.) Doch wenn man ihr Alter in Betracht zieht und die Art, wie
sie in dieses Geschäft gelangt waren, mussten sie dieses Album vermutlich genauso
aufnehmen, wie sie es aufgenommen haben.
Am 04.10. begann in Chippenham die A Broken Frame-Tour, die sich in drei
Teile gliederte. Bis zum 29.10. spielte die Band in Großbritannien insgesamt
20 Konzerte.
Vom 25.11. bis zum 14.12. waren DM mit 14 Konzerten in Europa unterwegs,
traten dabei hauptsächlich in Deutschland auf, so z.B. in Bochum, Köln und Goslar.
Der dritte Teil fand erst 1983 statt.
Trotz all des Erfolgs lief es dennoch nicht so richtig rund. Auch mit der neuen musikalischen
Richtung gelang es DM zunächst nicht, von der Presse und der allgemeinen Öffentlichkeit ernst
genommen zu werden oder das Image der Neuen Romantiker und Futuristen abzuschütteln.
Dave: "Ich denke, die gleichen Leute, die Duran Duran oder Spandau Ballet kaufen,
kaufen auch unsere Platten. Aber ich denke trotzdem, dass wir in einem anderen Markt
sind. Jetzt sind nicht mehr so viele Neue Romantiker im Publikum wie früher.
Wir haben über 30 Interviews gemacht - die meisten in Europa -" (er meint damit das
europäische Festland. Briten denken oft in diesen Kategorien: GB - Europa -
Rest der Welt. ;-)) " - und werden immer noch nach Neuer Romantik und Futurismus
gefragt. Wir sagen, dass wir damit nichts zu tun haben.[23] Trotzdem drucken sie dann
direkt daneben diese scheußlichen Fotos von uns! Die waren von der allerersten
Fotosession, und sie waren so schlecht! Sie verfolgen uns überall hin!"
Martin: "Das ist der Grund, weshalb wir nie wie Duran Duran sein werden,
weil unsere Fotos so schrecklich sind!"[24]
Neben diesen bereits bekannten Problemen tauchten nun neue auf. So schien ihnen das
Publikum nicht mehr zu zuhören ...
Fletch: "Selbst, wenn man viele Fehler macht, und man glaubt, man sei
schrecklich gewesen, es scheint ihnen nichts auszumachen. Der Musikaspekt ist
weg. Im Crocs haben sie uns nicht mal zu einer Zugabe aufgefordert, sie standen nur
da und warteten. Alles, was sie wollen, ist uns zu sehen. Wir sind ein Event geworden."
... und die Zeit wurde immer knapper.
Martin: "Letzten Sommer konnten wir die Dinge noch von Woche zu Woche planen.
Es ist schrecklich, jetzt in den Terminkalender zu sehen und festzustellen, dass jeder
Tag in den nächsten sechs Monaten verplant ist."
Fletch: "Wir haben nicht mal Zeit, nachzudenken! Was passiert, ist, dass wir
immer beschäftigter sind und immer weniger mit den kleinen Entscheidungen zu tun haben,
die uns betreffen. Wenn man genug Geld hat, endet man darin, dass man es jemandem
gibt und sagt: 'Mach das für uns.'"[25]
Dave: "Jeden Tag scheint etwas zu sein. Ab einem bestimmten Punkt fängt man an,
sich daran zu gewöhnen. Aber man fängt auch an, sich zu fragen, ob es einem gut tut."
Ein weiteres Problem, mit dem sie sich von nun an auseinandersetzen mussten, war der
Ruhm und damit, wie er sich auf ihr Leben auswirkte.
Fletch: "Da war eine Sache in der Sun, über unsere Single, und es
heißt: 'Eine weitere Platte von einer gesichtslosen Band.' Ich denke, Leute, die
Musikmagazine lesen, kennen uns vielleicht, aber die anderen können dem Namen
kein Gesicht zuordnen. Die Leute fragen, wie es ist, berühmt zu sein. Aber da
gibt es keinen Unterschied zu früher. Wenn ich durch Basildon gehe, erkennen sie
mich vielleicht, aber wenn ich durch London laufe, werde ich nicht erkannt."
Dave: "Ich denke, es ist auch besser, nicht hip zu sein. Es ist definitiv
sicherer. Wir gehen aber auch nicht in die Clubs nach London oder so. Ich weiß nicht,
wie andere Bands das machen. Sie touren rund um die Welt und bringen jede Woche
Platten raus. Sie müssen so müde sein.[26] Einmal bin ich zum Camden Palace gegangen
und bin praktisch zerrissen worden. Es war wirklich beängstigend. Als ich reinkam,
war ich gefangen, und die Leute krallten sich an mir fest, zerrissen meine Kleidung,
zogen an meinen Haaren - ich hatte so große Angst, ich rannte weg und versteckte
mich auf dem Klo. Ich wollte da auch nicht mehr rauskommen. Ich denke, das war
eine meiner schlimmsten Erfahrungen. Diese Kinder können dich umbringen."[27]
Fletch: "Wir kriegen keine Gästelisten mit Stars darauf. Ich denke, das ist
es, warum uns die Leute mögen. Wir ziehen kein solches Publikum an. Wir sind keine
Glitterband. Backstage sind viele unserer Freunde.[28] Wir haben aber auch eine Menge
Freunde verloren, die früher mit uns ausgegangen sind. Man verliert den Kontakt."
Dave: "Du weißt aber auch, wer deine richtigen Freunde sind. Sie haben sich
nicht verändert. Du weißt es, wenn du mit ihnen redest und mit ihnen unterwegs bist.
Sie sehen dich nicht als eine andere Person. Aber dann gibt es da welche, die nicht
deine besten Freunde waren, als du angefangen hast, aber deine besten Freunde sind,
sobald du Erfolg hast."
Fletch: "Ich denke, es waren rund 10.000 Leute, die mit dir zur Schule gegangen
sind."
Dave (lacht): "Ja, die Klasse muss rund 1.000 Schüler gehabt haben, wenn es
nach einigen Leuten geht. Es waren nur 40. Du denkst, du wirst verrückt, wenn
Leute sagen, dass sie mit dir zur Schule gegangen sind, und du kannst dich nicht
an sie erinnern."[29]
Es wurde zunehmend schwierig, noch ein Privatleben zu führen. Daves Freundin Joanne
gab ihren Job als Krankenschwester auf und übernahm gemeinsam mit Martins Freundin
Anne, die gerade die Schule beendet hatte, die Leitung des Fanclubs. Auf diese Weise
waren sie auf jeder Tournee mit dabei.
Die Band empfand das als "Luxus", während ich mir gut vorstellen kann, dass
das ständige Zusammensein Grundlage für ein "hervorragendes" Konfliktpotenzial bot.
Dave: "Wir haben nicht das Gefühl, dass sie im Weg sind, obwohl es viele Bands
gibt, die meinen, Freundinnen auf Tournee seien eine Bürde. Für uns ist es so, als
würden wir unsere besten Freunde mitnehmen. Obwohl ich denke, es ist fair, zu sagen,
dass die Mädchen sich erst mal an die Fanreaktionen gewöhnen mussten. Es war ziemlich
komisch, weil unsere Mädchen auch den Faninformationsstand betreiben. Sie haben sich
das einfacher vorgestellt. Aber die Realität mit Hunderten von Mädchen, die auf uns
zu rannten und uns zu küssen versuchten, war ein bisschen zu viel! Es scheint, dass
die Mädchen Alan toll finden. Es macht uns nichts aus, wenn er diese Aufgabe
übernimmt."[30]
Alan, der da noch immer "Teilzeitmode" war, fragte beim Schreiben der Autogramme noch
nach dem Namen jedes Einzelnen. Etwas, was die anderen längst aufgegeben hatten. Dies
und sein gutes Aussehen führten dazu, dass die meiste Schreierei der Mädchen auf sein
Konto ging.
Und sie versuchten immer noch, ein Image für sich zu finden, bzw. am besten überhaupt
kein Image zu haben.
Dave: "Ich denke, es ist gut, dass wir kein echtes Image haben. Einige Bands
stecken in welchen fest, aber obwohl alle ständig versuchen, uns in eine Schublade
zu stecken, haben wir immer das gemacht, was wir gerade wollten."
Fletch: "Die Band mit dem besten Image ist Pink Floyd. Das ist wirklich eine
gesichtslose Band. Ich meine, ich mag ihre Musik nicht wirklich, aber sie sind
trotzdem eine der größten Bands, wenn man Brian Waters sieht ..."
Dave: "Roger Waters, du Idiot!"
Fletch: "Oh ja, aber da siehst du, was ich meine. Sie sind wirklich anonym."
Dave fand, es sei viel besser, "ein Design zu haben. Das neue LP-Cover
ist wirklich gut. Viel besser als das letzte Cover. Das war schrecklich! Der Typ,
der es gemacht hat, Brian Griffin, als er erklärte, was er wollte - 'ich stelle mir
einen Schwan vor, der in der Luft schwebt' - und wir sagten: 'Ja, gut!' - dann
redete er davon, dass er auf einem See aus Glas schwimmt, und es hörte sich großartig
an. Es stellte sich dann als ausgestopfter Schwan in einer Plastiktüte heraus! Es war
nett und romantisch gemeint, aber es war nur komisch!"[31]
Dennoch sollte Brian Griffin noch etliche Fotos für Alben-/Singles-Cover machen,
also kann das Speak & Spell-Cover doch nicht so schlimm gewesen sein - oder
sie waren zu schüchtern, ihm zu sagen, dass sie es nicht mochten. Wie auch immer:
Nimmt man Umfragen als Grundlagen, meinen die meisten Fans, dass Speak & Spell
nicht das schlimmste Cover war, das DM je hatte.
Es gab also eine Menge Dinge, die sie lernen mussten. Und sie mussten sie schnell lernen.
Fletch: "Uns wurde klar, dass 1982 das wichtigste Jahr für uns war. Entweder
wir etablierten uns und wir würden untergehen."[32]
(My secret garden - mit freundlicher Genehmigung von © Tuxedofeline)
Und hier noch zwei kleine Dinge, die im Hinblick auf die Zukunft interessant sind:
Fletch zeigte schon damals erste Anzeichen seiner depressiven Ader, die später
noch schlimme Folgen haben sollte: "Ich werde depressiv, besonders auf Tour, weil
ich viele Freunde zu Hause habe. Ich vermisse den Klatsch und so. Martin und Dave
haben Anne und Jo, und das ist ihre Begleitung, aber ich habe niemanden. Ich habe
viele Freunde verloren, weil ich nicht mit ihnen reden kann. Wir haben einander
immer erzählt, was wir so machen, aber jetzt - wir fliegen nach Spanien und machen
ein Fernsehding, wir gehen auf Tour ... Ich fühle mich schuldig, und ich kann
nicht darüber reden, was ich mache, denn alles, was ich mache, ist die Band.
Ich denke mehr nach als die anderen. Nun, ich mache mir Sorgen. Ich bin deprimierender."
Gelächter. Ob er nicht vielleicht doch "depressiver" meine?
Alan: "Beides, wahrscheinlich."[33]
Das Nächste ist nicht ganz so ernst, aber es ist eine jener Aussagen, die zeigen,
wie sehr sich Menschen im Laufe der Zeit in Bezug auf ihren Lebensstil verändern.
Martin: "Wir sind nicht die Art Leute, die Spaß an Partys haben oder die oft
in Clubs gehen. Wenn wir nicht arbeiten, sind wir zu Hause bei unseren Eltern. Wir
alle finden es wichtig, ein stabiles Zuhause zu haben, da man sonst dazu neigt, sich
zu isolieren und nur noch mit Leuten aus dem Musikbusiness abzuhängen. Und das ist nicht
gut für einen. Ich denke nicht, dass wir uns verändern werden. Wir haben nicht den
Drang danach, uns in Londons Nachtleben herumzutreiben."[34]
Wenn man sich auf Martin selbst bezieht (insbesondere auf den Text zu See You),
dann bleiben Menschen in ihrer Basis meistens gleich. Dies passt durchaus zu den
(ehemaligen) Bandmitgliedern. Alle haben noch immer dieses "stabile Zuhause" und
sind prinzipiell ziemlich normale Leute. Heute sind alle Familienväter und haben
sich nicht großartig in der allgemeinen Musikwelt verstrickt. Aber die Fans wissen
natürlich, dass die Band in den nächsten Jahren durchaus eine Menge Spaß an Partys
und Clubs haben würde.
Ende des Jahres wurde Alan zum Vollmitglied erklärt und so die Weichen für
die Zukunft gestellt.
Martin: "Nachdem Vince gegangen war, um Yazoo zu gründen, waren wir bereit,
ein neues Album aufzunehmen. Alan begann, mit uns zu spielen, aber wir wollten sicher
sein, dass die Veränderungen in unserer Musik nichts mit Alan zu haben. Wir mussten
zeigen, dass wir in der Lage waren, die musikalische Veränderung selbst herbeizuführen.
Also haben wir A Broken Frame mit diesem Gedanken im Hinterkopf aufgenommen,
obwohl Alan mit uns auf Tournee gehen würde. Jetzt fühlen wir uns frei dafür, ihn
als Vollzeitmitglied aufzunehmen, nun, da sich die Veränderung etabliert hat!"[35]
Nun ja, die eigentliche Veränderung kam erst mit Construction Time Again,
und Martin würde seine Meinung diesbezüglich auch wieder ändern.
Alan: "Ich bin den anderen nicht böse, dass sie meinetwegen ein bisschen
vorsichtig sind, nach all dem, was mit Vince passiert ist.[36] Jemand in ihrer Position nimmt
nicht den Nächstbesten, der sich dann als komplettes A***l*** herausstellen könnte.
Also ging ich erst mal nur mit auf Tour und trat bei den Fernsehshows auf, ging aber
nicht mit ins Studio.[37] Die letzte Tournee hat mich in der Band mehr zu Hause
fühlen lassen, obwohl es mich ziemlich nervös gemacht hat, vor so großem Publikum
wie zum Beispiel im Hammersmith Odeon zu spielen."[38]
1987 sagt er: "Sie waren ein so fester Verband, und ich brauchte eine Weile,
um einer von ihnen zu werden. Zwischen 1982 und 1983 war ich nie
sicher, ob ich drinnen oder draußen war, bis Fletch mir eines Tages sagte, ich wäre
ein Vollmitglied."[39] (In einer anderen Quelle wird er damit zitiert, dass Daniel
Miller ihm dies gesagt habe.)
Quellenangaben:
[1] Entnommen aus: No Time to Even Think, New Sounds New Styles, März 1982. Autor: Mike Stand.
[2] Entnommen aus: Andy Fletcher interview, Electric Sleeve Notes, Mai 1982. Autor: David Martin.
[3] Entnommen aus: Cassette interview with Dave Gahan, January 1982, SFX (UK). Interviewer: unbekannt.
[4] Entnommen aus: The Story Of Depeche Mode, BBC Radio London Live94.9, 07.05.2001. Produzent: Tony Wood.
[5] Entnommen aus: Just Can't Get Enough, Uncut, Mai 2001. Autor: Stephen Dalton.
[6] Entnommen aus: No Time to Even Think, New Sounds New Styles, März 1982. Autor: Mike Stand.
[7] Entnommen aus: A Clean Break, Smash Hits, 21.01.-03.02.1982. Autor: Mark Ellen.
[8] Entnommen aus: Chronique Just Can't Get Enough et See You, Januar 1982, Best N°174. Autor: Gerard Bar-David.
[9] Entnommen aus: A Clean Break, Smash Hits, 21.01.-03.02.1982. Autor: Mark Ellen.
[10] Entnommen aus: No Time to Even Think, New Sounds New Styles, März 1982. Autor: Mike Stand.
[11] Entnommen aus: Some people think you're cute, but other people think you're slightly vile ..., Look In, 22.05.1982, Autor: Phil Parsons.
[12] Entnommen aus: A La Mode, Kicks, 06.04.1982. Autor: Johnny Black.
[13] Entnommen aus: Welcome to the Working Week - 7 Days In The Life of Dave 'Have A Banana' Gahan of Depeche Mode, Flexipop, Juni 1986. Autor: Dave Gahan.
[14] recoil.co.uk
[15] Entnommen aus: The Name's the Game! Zig Zag, November 1982. Autor: John Kercher.
[16] recoil.co.uk
[17] recoil.co.uk
[18] recoil.co.uk
[19] Entnommen aus: Sound of the Suburbs, NME, 20.03.1982. Autor: Lynn Hanna.
[20] Entnommen aus: A La Mode, Kicks, 06.04.1982. Autor: Johnny Black.
[21] recoil.co.uk
[22] Entnommen aus: Modey Old Dough, unbekanntes Magazin, 1982. Autor: Bill Prince.
[23] Entnommen aus: A Clean Break, Smash Hits, 21.01.-03.02.1982. Autor: Mark Ellen.
[24] Quelle ist nicht mehr auffindbar
[25] Entnommen aus: A Clean Break, Smash Hits, 21.01.-03.02.1982. Autor: Mark Ellen.
[26] Entnommen aus: No Time to Even Think, New Sounds New Styles, März 1982. Autor: Mike Stand.
[27] Entnommen aus: Sound of the Suburbs, NME, 20.03.1982. Autor: Lynn Hanna.
[28] Entnommen aus: The Bright Side of the Moon, Sounds, 04.09.1982. Autor: Karen Swayne.
[29] Entnommen aus: Sound of the Suburbs, NME, 20.03.1982. Autor: Lynn Hanna.
[30] Entnommen aus: Essex Appeal, Record Mirror, 21.08.1982. Autor: Simon Tebbutt.
[31] Entnommen aus: The Name's the Game! Zig Zag, November 1982. Autor: John Kercher.
[32] Entnommen aus: The Bright Side of the Moon, Sounds, 04.09.1982. Autor: Karen Swayne.
[33] Entnommen aus: A Clean Break, Smash Hits, 21.01.-03.02.1982. Autor: Mark Ellen.
[34] Entnommen aus: On The Mode, Record Mirror, 20.03.1982. Autor: Sunie.
[35] Entnommen aus: The Name's the Game! Zig Zag, November 1982. Autor: John Kercher.
[36] Entnommen aus: A La Mode, Kicks, 06.04.1982. Autor: Johnny Black.
[37] Entnommen aus: Hanging in the Balance, NME, 26.03.1983. Autor: Matt Snow.
[38] Entnommen aus: A La Mode, Kicks, 06.04.1982. Text: Johnny Black.
[39] Entnommen aus: Depeche Mode Magazine, Circuit Communications, 1987. Autor: Mike Martin.